„Wie lange muss ich denn die Ordner aufbewahren?“ So oder so ähnlich lautet die alltägliche Frage zu Beginn eines neuen Jahres von engen Lagerkapazitäten geplagter Privatpersonen und Unternehmer. Das „muss“ lässt sich noch relativ leicht klären, aber die Frage, ob es sinnvoll ist, Dokumente zu entsorgen oder aufzubewahren, ist schon deutlich schwieriger zu beantworten. Insoweit verweisen die nachfolgenden Informationen nicht alleine auf Gesetzesnormen, sondern sollen einen Hinweis auf eine sinnvolle und praktische Handhabung dieses Problems geben.
Wie bewahre ich elektronische Belege auf?
Elektronische Belege müssen in dem Format aufbewahrt werden, in dem sie eingegangen sind und müssen jederzeit lesbar und maschinell auswertbar sein. Es genügt nicht, die Unterlagen auszudrucken und in Papierform aufzubewahren. Weiterhin muss eine nachträgliche Änderung auf dem Speichermedium ausgeschlossen werden.
Papieroriginale können grundsätzlich (bis auf wenige Ausnahmen) vernichtet werden, wenn die digitalisierten Belege aufbewahrt werden (§§ 239 Absatz 4 und 257 Absatz 3 HGB; § 147 Absatz 2 AO). Voraussetzung hierfür ist die Einhaltung der Vorschriften zur elektronischen Archivierung kaufmännischer Belege.
Wichtig:
Die Regeln zur Verfahrensdokumentation sowie die Anforderungen der Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und der GDPdU sind bei der Aufbewahrung elektronischer Unterlagen unbedingt einzuhalten.
Schauen wir zunächst auf die gesetzlichen Regelungen. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem die letzte Eintragung in das Buch, den Ordner, etc. gemacht wurde bzw. aus dem das Dokument stammt. Die Aufbewahrungsfrist gilt für Originalbelege wie auch für elektronisch gespeicherte Daten/Dokumente.
Privatpersonen:
Privatpersonen unterliegen bis auf die nachstehend genannte Regelung bei Arbeiten an einem Gebäude keinen besonderen Aufbewahrungspflichten. Es versteht sich jedoch von selbst, dass Dokumente über laufende Geschäfte / Verträge zumindest über deren Dauer / Gültigkeit und einer etwaigen Nachhaftungszeit (mind. zwei Jahre) hinaus aufbewahrt werden müssen. Sonstige wichtige Unterlagen wie Kontoauszüge und Kaufbelege sind ebenso mindestens für die Dauer von drei Jahren nach Ablauf des Jahres in dem das Ereignis (Beleg) entstanden ist, aufzubewahren. Dies schon um Ansprüchen Dritter im Rahmen der normalen zivilrechtlichen dreijährigen Verjährungsfrist entgegenzutreten.
Wichtige persönliche Dokumente (alte Ausweispapiere, Versicherungspolicen, Arbeits-, Miet-, Grundstücks- und sonstige wichtige Verträge, Zeugnisse, Urkunden, Kirchenaustritt, Arbeitsverträge, Kündigungen etc.) sollten lebenslang aufbewahrt werden.
Handwerkerrechnungen, Baurechnungen bzw. bei Aufträgen im Zusammenhang mit Leistungen an einem Grundstück gem. § 14b Abs. 1 und Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) sind 2 Jahre aufzubewahren. Dies u.a. zum Nachweis, dass die betreffenden Arbeiten nicht „schwarz“ ausgeführt wurden. Allerdings sollten genau diese Belege zur etwaigen Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber dem leistenden Unternehmer mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden.
Aus der Alltagspraxis und mit Rücksicht auf zivilrechtliche Verjährungsansprüche, sollten wichtige Unterlagen mindestens für die Dauer von drei Jahren aufbewahrt werden. Das heißt, ein Kontoauszug aus dem Jahr 2020 sollte mindestens bis zum 31.12.2023 aufbewahrt werden.
Selbstständige, Freiberufler, Handwerker, Gewerbetreibende (Unternehmer):
(§ 147 Abgabenordnung, § 257 Handelsgesetzbuch, §14b Umsatzsteuergesetz)
10 Jahre:
Buchungsbelege, Buchhaltungsaufzeichnungen, Inventurunterlagen, Jahresabschlüsse (Bilanzen, Gewinnermittlungen inkl. Eröffnungsbilanz), Steuererklärungen / Steueranmeldungen, Rechnungen im Sinne von § 14b UStG,
6 Jahre:
Geschäftsbriefe / Korrespondenz (Eingang + Ausgang), sonstige Unterlagen soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.
Wichtig für Privatpersonen und Unternehmer:
Ein Fall aus dem Leben. Die Eheleute Müller sind Eigentümer eines Einfamilienhauses. 25 Jahre nach Bau ihres Hauses ziehen sie in eine Eigentumswohnung in der Stadt um und vermieten ihr Einfamilienhaus. Der Steuerberater fragt nach den Herstellungskosten des Hauses, um noch unverbrauchte Abschreibungsbeträge (Abschreibungsdauer 50 Jahre) steuermindernd geltend zu machen. Die Eheleute hatten keine Belege aufbewahrt, da das Objekt aufgrund der Selbstnutzung in den letzten 15 Jahren bei der Einkommensteuer ohne Bedeutung war. So oder so ähnlich könnte ein Lebenssachverhalt sein, der einen Nachweis für längst vergangene Ereignisse fordert.
Unabhängig von gesetzlichen Aufbewahrungsfristen ist damit die Frage zu beantworten, ob es sinnvoll ist Dokumente (Rechnungen, Korrespondenz etc.) zu entsorgen. Besser ist zu prüfen, ob der Fall eintreten, dass mit dem Dokument auch noch in späterer Zeit ein Beweis zu führen ist.
Zunächst ein Blick auf die Verjährungsfristen im Zivilrecht. Unter Verjährung ist hier das Recht des Schuldners zu verstehen, den von einem Gläubiger gemachten Anspruch, unter der Einrede der Verjährung zu verweigern. Durch die Verjährung ist der Anspruch zwar dem Grunde nach nicht verloren, er lässt sich jedoch nicht mehr gerichtlich durchsetzen. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gem. § 195 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) drei Jahre. Gewährleistungsansprüche für Arbeiten an Bauwerken etc. verjähren in fünf Jahren (§ 634a BGB). Ansprüche die sich auf Rechte an Grundstücken richten verjähren gem. § 196 BGB in zehn Jahren. Bestimmte Ansprüche, wie Herausgabe des Eigentums sowie familien- und erbrechtliche Ansprüche verjähren gem. § 197 BGB erst in 30 Jahren. Hierzu sind im Einzelfall auch Fristhemmungen zu berücksichtigen.
Insoweit macht es bei vielen Belegen und Dokumenten wenig Sinn sich nur an den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen zu orientieren. Dies könnte sonst zu einem späteren Zeitpunkt zu einer nicht gewollten Beweisnot führen.
Beispiele hierfür:
- Eigentumsnachweis (Wer hat was zu welchem Wert angeschafft, Wem gehört der Gegenstand (Beispiel: Im Falle eines Diebstahles, bei Ehe- / Familienstreitigkeiten etc.).
- Nachweise zur Inanspruchnahme von Garantie- / Gewährleistungen (gesetzliche / Herstellergarantie) und Versicherungsleistungen (Policen).
- Nachweis zum Wert und der Beschaffenheit (Anschaffungskosten, Folgekosten)
- Nachweis zur Legalität (Beispiel Handwerkerrechnung: Arbeiten wurden durch Fachfirma ausgeführt)
- Nachweis zur Geltendmachung von Vorsteueransprüchen (§ 15 UStG) oder zur Berechnung / Bezahlung der Umsatzsteuer (EU-Ausfuhr / Einfuhr).
- Wertnachweis im Falle des Vermögensverlustes durch Diebstahl, Brand etc..
- Anforderungs- / Befähigungsnachweise
- Zustandsnachweis (Unterlagen zur Überprüfung, über den Zustand einer Sache zum Zeitpunkt X etc. / Beispiel letzte Reparaturrechnung, TÜV-Bericht vor Verkauf eines Fahrzeuges etc.)
- Historischer Nachweis zu späteren Dokumentations- und Nachweiszwecken (Beispiele: Wer war wann wo beschäftigt, mit was wurde gearbeitet, wer war seit wann Kunde usw., Lebenslauf, Verdienstnachweise etc.)
- Urkunden / Dokumente mit laufender Gültigkeit sollten niemals entsorgt werden (Mitgliedschaften, Beitrittserklärungen, Versicherungsdokumente, Genehmigungen, persönliche Dokumente etc.)
Insoweit ist jeder Ordner, jedes Dokument im Zweifel in die Hand zu nehmen und dann ist darüber zu entscheiden, ob der Beleg entsorgt, weiter archiviert oder ggf. digitalisiert also eingescannt und gespeichert wird.
Elektronische Kontoauszüge etc. u.a. Dokumente
Der ausgedruckte elektronische Kontoauszug beim E-Banking entspricht nach den aktuellen gesetzlichen Regelungen als Dokument nicht den Nachweisanforderungen. Aufzubewahren ist demgemäß nicht der Papierausdruck, sondern das elektronische Eingangsdokument (pdf/E-Mail) , d.h. die Originaldatei aufzubewahren die nicht vom Empfänger verändert wurde. Soweit der Kontoauszug auch noch in Papierform vom Bankinstitut übermittelt wurde oder innerhalb der Aufbewahrungsfrist (§ 147 Abs 3 AO)noch übermittelt werden kann (durch Vorhaltung beim Bankinstitut), ergibt sich kein Nachweisproblem.
Stand: August 2022